
Nachdem ich eigentlich immer irgendwie Linux benutzt habe, möchte ich nun komplett auf Linux umsteigen. Ich nutze mehrere Rechner, von denen bereits zwei unter Linux laufen:
- Laptop zu Hause (Internet, E-Mail, Videos und DVDs schauen, gelegentlich CAD, PHP/MySQL)
- Backup-Rechner im Büro (zieht größere Datensicherungen aus dem Netz wie z.B. Webserver und Datenbanksicherungen)
- Alter Laptop (Internet, E-Mail, etc.)
Jetzt soll aber auch die Workstation, an der ich jeden Tag arbeite, unter Linux ans Laufen kommen.
Warum Linux?
Ich habe bereits vor etwa 20 Jahren meine ersten Erfahrungen mit Linux gemacht. Das Problem war jedoch, dass einiges an Software, die ich für meine tägliche Arbeit (https://kurswerkstatt-saar.de) brauche, einfach nicht verfügbar war. Oder zumindest nicht so, dass man damit wirklich produktiv arbeiten konnte. Dazu gehören 3D-CAD und Videoschnitt. Inzwischen gibt es in beiden Bereichen gute Software, wenn auch Videoschnitt noch so eine Sache ist, dazu später mehr.
An Linux hat mir immer gefallen, dass es Open-Source ist. Man macht sich nicht von einem Softwarehersteller abhängig. Es gibt ganz unterschiedliche Distributionen für unterschiedliche Nutzertypen und Vorlieben. Die verwendeten Programme sind aber in der Regel dennoch gleich. Bei Open-Source-Software, an denen viele Menschen aus unterschiedlichen Motivationen arbeiten, besteht nicht die Notwendigkeit, den Nutzer auszuspähen, wie es bei den großen Softwareriesen der Fall ist. Man ist unabhängig von diesen großen Konzernen und mir ist Unabhängigkeit sehr wichtig. Linux bietet demjenigen, der sich intensiver mit dem System beschäftigen möchte, tolle Möglichkeiten der Automatisierung und Anpassung. Wer das nicht möchte, hat bei modernen Distributionen den gleichen Komfort und die gleichen Funktionen wie unter Windows.
Linux und die meisten darauf laufenden Programme gehen viel sparsamer mit Ressourcen um. Das zeigt sich dadurch, dass selbst moderne Linux-Systeme noch auf alten Rechnern gut laufen und auf neuen Rechnern schneller arbeiten, als Windows. Natürlich ist das auch ein wenig davon abhängig, welche Desktop-Umgebung man nutzt. Das finde ich bei Linux auch schön. Man kann sich die grafische Oberfläche aussuchen, die einem gefällt. Ich nutze XFCE, weil es nicht überladen ist und schnell.
Umstieg will geplant sein
Jetzt sollte man allerdings nicht einfach so sein Windows platt machen und anfangen mit Windows zu arbeiten. Ein sogenanntes Dual-Boot-System ist da viel besser. Man kann problemlos Linux neben Windows betreiben und beim Rechnerstart das jeweilige System aussuchen. So kann man sich an Linux gewöhnen und hat dennoch sein gewohntes Windows. Ob das bei MacOS auch geht und wie gut man Linux auf einem Mac installieren kann, weiß ich jedoch nicht.
Inzwischen gibt es viele Programme, die auf unterschiedlichen Betriebssystemen laufen. LibreOffice ist ein bekanntes Beispiel. Aber auch die Bildbearbeitung GIMP, das Mailprogramm THUNDERBIRD oder der Browser FIREFOX. Bei anderen Programmen wird es schwieriger.
Ich habe damals beim Kauf der CAD-Software bereits darauf geachtet, dass sie auch unter Linux läuft. Den Gedanken umzusteigen habe ich schon lange. Damals hatte ich auf dem Bürorechner bereits ein Dual-Boot-System und machte meine ganzen Onlinesachen bereits unter Linux. Als dann vor einigen Monaten ein Update bei Premiere Pro dafür sorgte, dass die gewohnte Benutzeroberfläche plötzlich anders aussah, war auch da der Punkt erreicht einen Umstieg zu wagen.
Erst einmal mit GIMP anstelle von Photoshop. Für die paar Sachen, für die ich eine Bildbearbeitung brauche, reicht das vollkommen. Ich beschneide Bilder, mache einfache Korrekturen und mache meine Vorschaubilder für die Videos, mal ein paar einfache Grafiken. Nichts, was eine Software wie Photoshop rechtfertigt.
Anschließend kam dann Acrobat dran. Ich muss fast täglich PDF-Dateien zusammensetzen, Texterkennung brauche ich auch und hier und da auch mal eine PDF-Datei direkt bearbeiten. Da habe ich mich dann für MasterPDF entschieden. Das kann alles, was auch Acrobat kann. Selbst in der Free-Version reicht es mir fast schon aus. Die Kaufversion ist nicht sonderlich teuer. Das Bearbeiten von PDFs funktioniert mit Open-Source-Software unter Linux noch nicht sehr komfortabel.
Schwierig wurde es dann beim Videoschnitt. KDEnlive gefiel mir nicht, DaVinchi war mir zu überladen und ich konnte mich mit der Benutzeroberfläche nicht anfreunden. Dann habe ich Shotcut ausprobiert und fand es für mich passend. Es bedient sich anders als Premiere und ähnliche Programme, finde ich aber gut. Damit hatte ich dann alles Wichtige zusammen und konnte damit erst einmal unter Windows arbeiten. Sehr schnell habe ich dann mein Adobe-Abo gekündigt.
Nach einigen Wochen ging dann der Umstieg systematisch los:
Erst mal wurden alle Daten gesichert. Danach wurde Linux (Ubuntu) parallel zu Windows installiert. Das Ganze auf einer eigenen Festplatte (SSD), die ich zuvor eingebaut habe. Die Installation war eigentlich problemlos. Ich habe erst einmal eine Minimalinstallation gemacht. Anschließend wurde die Software, die ich wirklich auf dem Rechner brauche, installiert:
- Thunderbird – EMail
- Firefox – Browser
- LibeOffice Calc -Tabellenkalkulation
- Master PDF – Vollständiger Ersatz für Acrobat DC (nur billiger)
- BricsCAD – AutoCAD Clon
- GIMP – Bildbearbeitung
- Shotcut – Videoschnitt
Die Einrichtung der Programme war keine große Sache. Kalender und Adressbuch liegen auf unserem Server, die mussten genau wie die IMAP-Konten nur in Thunderbird angelegt werden. Hier muss ich nur wieder die Filterregeln für den Spam eingeben. Nach der Anmeldung in Firefox sind auch alle Lesezeichen und Einstellungen im Browser vorhanden.
Bei BricsCAD muss man ähnlich wie in AutoCAD ein Support-Verzeichnis einspielen, dann sind wieder alle Einstellungen da. CAD läuft also auch.
Der Treiber für die Grafikkarte war etwas kniffliger (NVIDIA RTX A4000), ist aber jetzt auch drin.
Das Videoschnittprogramm Shotcut ist in der von Ubuntu angebotenen Version etwas veraltet, da habe ich mir die aktuelle Version heruntergeladen. Läuft jetzt auch.
Der Drucker und der Scanner waren schnell eingerichtet.
Alles in allem hat die Grundeinrichtung sehr gut funktioniert. Unter Linux ist alles etwas schneller geworden. Die Programme starten schneller, das Schnittprogramm läuft flüssiger als unter Windows (11), das ganze System nervt weniger. Ich kann jetzt also anfangen Linux auch für meine Arbeit, also Zeichnen, Videoschnitt, Kommunikation zu nutzen.
Worum ich mich noch kümmern muss, ist DATEV- Unternehmen-Online. Da muss ich auf ein anderes Anmeldeverfahren wechseln, da der Dongle unter Linux nicht unterstützt wird.
Mit Sicherheit wird noch das eine oder andere kleine Hindernis auftauchen, aber fürs Erste sieht es gut aus. Dummerweise hat das Entschlüsseln der Windows-Festplatte nicht funktioniert. Ich kann also nur von Windows aus darauf zugreifen, obwohl Windows sagt, sie sei entschlüsselt. Die Schaltflächen zum Verschlüsseln werden seltsamerweise auch nicht mehr angezeigt. Aber auch das sollte sich irgendwie lösen lassen.
Der erste produktive Tag mit Linux
So, der erste produktive Tag mit Linux ist zu Ende. Das erste Video ist komplett unter Linux entstanden. Mit den Farbanpassungen des neuen Schnittprogramms kämpfe ich zwar noch, aber das wird schon.
Die alltäglichen Dinge wie E-Mail oder andere Büroarbeiten laufen irgendwie flüssiger. Es sind zwar nur Kleinigkeiten, aber genau die machen viel aus. Es gab zwar zwischendurch auch immer noch ein paar Dinge einzustellen wie Schrift- und Symbolgröße, aber im Großen und Ganzen lief der Rechner erst einmal super.
Und ich habe endlich das Gefühl, an einem schnellen Rechner zu arbeiten. Ich nutze hier eine HP Workstation (Z4 G4) und hatte unter Windows 11 nie diese Geschwindigkeit festgestellt. Kommende Woche kümmere ich mich noch um eine zusätzliche SSD mit 2 oder 3 TB für die Datenablage.
Videoschnitt unter Linux
Da das Thema Videoschnitt unter Linux sehr speziell ist, möchte ich noch einmal etwas näher darauf eingehen.
An Premiere Pro kommen die Programme unter Linux noch nicht heran, was denke ich an der mangelnden Unterstützung durch die Hardware-Hersteller liegt. Bei Shotcut nutze ich Proxydateien, das musste ich bei Premiere nicht machen. Das Schneiden geht schneller, als mit Premiere. Shotcut kann besser mit der Tastatur bedient werden, als Premiere. Das liegt auch daran, dass Premiere, was die Tastaturbedienung angeht, sehr Mac-lastig ist. Vieles wird unter Windows mit der ALT-Taste gemacht und dann hängt man ständig versehentlich im Menü. Das kann man zwar alles anpassen, aber das wollte ich mir nie antun, da Premiere gerne mal diese Anpassungen beim nächsten Update zerschossen hat. Das Schneiden geht nach einer gewissen Umgewöhnung auf Shotcut bei mir nun schneller, dafür dauert das Rendern wesentlich länger. Im Gegensatz zum Rendern bei Premiere, kann ich aber bei Shotcut weiter am Rechner arbeiten. Bei Premiere war das dann nicht schön.
Für meine Art Videos passt das für mich. Wer mit vielen Effekten und unter Zeitdruck schneiden muss, wird damit nicht glücklich. Ich nehme immer einen Teil des Videos in der Werkstatt auf, gehe dann an den Rechner, kopiere alles rüber, ziehe es ins Schnittprogramm, mache den Grobschnitt und wenn alle gut ist, gehe ich wieder in die Werkstatt und nehme weiter auf. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, kann ich es problemlos neu aufnehmen. Diese Arbeitsweise ist, denke ich, eher untypisch.
Shotcut wird derzeit sehr schnell entwickelt. Vieles ist inzwischen genauso komfortabel wie bei Premiere.
Soviel also erst einmal zum Umstieg. Ich werde natürlich berichten wie es mit dem Umstieg weitergeht. Auch Sandras Rechner wird noch umgestellt, das wird aber nicht so schwierig werden. Zum einen weil da keine spezielle Software läuft, zum anderen weil das mit mehr Erfahrung auch einfacher wird.
Hallo,warum nicht MacOS
Es geht mir auch um Unabhängigkeit. MacOS würde mich noch abhängiger von einem einzigen Konzern machen. Darüber hinaus müsste ich die komplette Hardware tauschen, würde neue Geräte kaufen, die unter fragwürdigen Bedingungen gefertigt werden und wäre einer Update-Politik unterworfen, bei der ältere Geräte nicht mehr mit neuer Software versorgt werden.
Appple und MacOS kommen für mich aus wirtschaftlichen, ökologischen und moralischen Gründen nicht infrage.
Gruß
Heiko
Alles klar,jeden ist frei wählen was der möchte,viel spass mit Unix systemen,
Hallo,
ich möchte die Moralischengegebenheiten bei der Apple Fertigung gar nicht schön reden. Allerdings würde mich da ja jetzt schon interessieren welche Hardware du nutzt die angeblich unter moralisch vertretbareren Bedingungen gefertigt wurde.
Gruß Simon
Hallo Simon,
ich behaupte nicht, dass ich weiß, wo und wie meine genutzte Hardware gefertigt wird. Und erst recht würde ich nicht behaupten, dass meine Computer unter moralisch vertretbaren Bedingungen gebaut werden. Andererseits hört man von HP oder Lenovo nichts in der Art, wie es über Apple durch die Medien geht und ging. Und wenn ich die Wahl habe, ob ich ein Produkt kaufe, von dem bekannt ist, dass es unter schlechten Bedingungen hergestellt wird und einem, von dem zumindest keine derartigen Informationen bekannt sind, nehme ich letzteres. Aber das ist ja nur einer der Gründe, der für mich gegen Apple spricht.
Gruß
Heiko
Hallo Leute, in der derzeitigen Abhängigkeit von der IT-Technik ist es müsig über die herkunft zu streiten. Es sei denn, irgendwer findet herraus wie man im Wald aus Restholz die nötigen Chips schnitzt. Selbst wenn alle Teile in Europa gefertigt würden, sind dazu die entsprechenden Materialien nötig. und die gedeihen nicht auf deutschen Äckern. Wer also die Umwelt- und Slavenkeule schwingen will, der sollte sich einen guten Feuerlösche zulegen da für weitreichende Rauchzeichen ein großes Feuer nötig ist.
Der Umstieg auf Linux ist prima!
Die Distribution mit der man gut zurecht kommt ist die richtige. Seit fast dem Beginn von Linux bin ich dabei, nutze es aber erst seit Ubuntu. Auch ich bin wegen den „seltsamen“ Entscheidungen von Canonical erst zu Mint dann zu der Debian Mint Edition (LMDE) gewechselt.
Bitte weiter davon berichten. Ich grüße alle Nerds mit Holz im Kopf
Falls du dann doch noch etwas unter Linux nicht zum Laufen bekommst könntest du dir für diese Sachen noch eine Windows VM mit Virtual Box (oder ähnlichem) betreiben und diese bei Bedarf einfach starten.
LG
André
Lieber Heiko,
Gratulation. Langfristig wird das bestimmt ein großer Gewinn für deine Arbeit sein. Ich selber nutze seit 2008 ausschließlich Linux für meine tägliche (insbesondere auch berufliche) Arbeit. Kein DualBoot, keine VM war bishher nötig. Allerdings habe ich auch das Glück, nicht auf eine „ausschließlich für Windows und es gibt keine Alternative“-Software angewiesen zu sein.
Viele KollegInnen bezweifeln immer, dass das gehen kann. Ich empfinde es als sehr großen Gewinn.
Bin seit einiger Zeit bei Linux Mint gelandet, weil mir Ubuntu selbst (Mint basiert z.T. darauf) manchmal stellenweise in seinen „politischen“ Entscheidungen zu „kommerzig“ wurde und ich Mint noch nutzerfreundlicher fand.
Ich wünsche viel Erfolg auf deinem Weg.
Liebe Grüße
Fabian
PS: Euer Blog bekommt vielleicht bishher nicht so viel Resonanz wie deine Holzwerken-Videos, aber er gefällt mir sehr gut und ich freue mich immer sehr über neue Beiträge, weil sie mich inhaltlich und im Ton sehr ansprechen. Toll.
Lieber Heiko,
vielen Dank fürs Teilen deiner Erfahrungen! Ich kann die verschiedenen Gründe sehr gut nachvollziehen und es motiviert mich sehr, denselben Weg einzuschlagen.
Herzliche Grüße,
Peter
Ich bin mittlerweile von Ubuntu wieder weggekommen, wegen einiger fragwürdiger Entscheidungen von Canonical.
Die unpopulärste ist das Ausspielen von snap-Paketen auf Desktops (Firefox bspw. gibt es auf Ubuntu nur noch als snap).
Eine Alternative, die mittlerweile sehr gut funktioniert, ist Manjaro.
Müsstest du als gewerblicher Kunde nicht mit einem supporteten Enterprise Linux nicht besser fahren?
Viele Grüße
Tobias
Einiges gefällt mir da auch nicht. Aber es fuktioniert erst einmal sehr gut. Ich werde mir mit der Zeit auch andere Distributionen anschauen.
Gruß
Heiko